Reden
Dr. Guy Morin, Regierungspräsident Basel-Stadt
Es ist mir eine grosse Freude, mit Ihnen zusammen das 50. Jubiläum der GGG Ausländerberatung zu feiern. Wir feiern aber nicht nur 50 goldene Jahre einer Institution und ihre engagierte Arbeit. Wir feiern auch die Menschen dahinter, die mit ihrem Fachwissen, ihrer Kompetenz, ihrem Engagement und ihrer Empathie die Arbeit der GGG Ausländerberatung geprägt und ermöglicht haben. Wir feiern auch das Leben von Tausenden von Menschen aus den verschiedensten Kulturen, mit unterschiedlichen Lebensstilen und Bedürfnissen, die die GGG Ausländerberatung kennen und schätzen gelernt haben und von ihr professionell beraten und unterstützt wurden. Es sind zahlreiche Schicksale zugewanderter Menschen, die die GGG Ausländerberatung im Laufe dieser 50 Jahre, positiv beeinflusst hat.
Ich habe mich sehr über den letzten Jahresbericht der GGG Ausländerberatung gefreut. Auf dem Titelblatt heiss es «50 Jahre erfolgreiche Integration». Was kann man mehr dazu sagen? Seit 50 Jahren setzt sich diese Institution für eine gelungene Integration der Migrationsbevölkerung in Basel ein, sei es mit niederschwelliger Beratung und Informationsvermittlung in inzwischen 15 verschiedenen Sprachen, sei es mit schriftlichen Übersetzungen in 12 Sprachen, sei es mit Projektberatung und Vernetzung zu den Migrantenorganisationen oder zu zahlreichen Veranstaltungen und Projekten. Die Leistungen der Institution sind vielfältig und haben sich im Laufe der Jahre erweitert, um mit der Entwicklung unserer Gesellschaft und mit den Herausforderungen in der Integrationsarbeit mithalten zu können. Von der Beratung in Sachen Steuererklärung oder Fragen zum Basler Schulsystem bis hin zur Suche nach dem idealen Deutschkurs oder zu Fragen zum heiklen Thema Zwangsheirat – die GGG Ausländerberatung weiss Bescheid.
Nicht nur werden Migrantinnen und Migranten unterstützt, auch die einheimische Bevölkerung kann sich bei integrationsspezifischen Themen Rat holen, so werden beispielsweise Arbeitgebende beraten und gecoacht oder Nachbarn in einer Konfliktsituation geholfen.
Die GGG Ausländerberatung ist, meines Erachtens, eine Brückenbauerin zwischen den verschiedenen Lebensweisen unserer Stadt. Mit ihrem Fachwissen und ihren transkulturellen Kompetenzen fördert sie die Verständigung und ermöglicht Begegnungen. Darin liegt ein ebenso wichtiger Teil der Integrationsarbeit: Das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Migrantinnen und Migranten zu ermöglichen, möglichst frei von Vorurteilen und geprägt von Respekt und Akzeptanz. Ihre Arbeit trägt ganz wesentlich dazu bei, dass Integration nicht zu einer leeren Worthülse verkommt, sondern konkret und nachhaltig wirkt.
Der Kanton Basel-Stadt hat eine vertrauensvolle Partnerschaft mit der GGG Ausländerberatung und steht mit ihr in einem Subventionsverhältnis. Während das Hauptgeschäft von «Integration Basel» im strategisch-konzeptionellen Bereich liegt, übernimmt die GGG Ausländerberatung operative Aufgaben mit direktem Kontakt zur Migrationsbevölkerung und zu Migrantenorganisationen. Die Institution ist für die Ausrichtung und Umsetzung der Integrationspolitik des Kantons von massgeblicher Bedeutung. Für uns ist es sehr wichtig, einen vertrauensvollen Partner zur Seite zu haben, mit dem wir gemeinsam für das Wohlbefinden unserer Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner arbeiten können.
Die Integrationsarbeit, die nicht immer einfach ist, macht Freude, wenn individuelle Lebensperspektiven von Migrantinnen und Migranten im positiven Sinne geprägt werden, wenn Menschen wertgeschätzt und wenn weitere Schritte in Richtung sozialer Gerechtigkeit gemacht werden. Dies entspricht der Ergänzung zum Leitbild der Basler Integrationspolitik, welches die Chancegleichheit, die Förderung kultureller Vielfalt und die Gleichberechtigung aller Bewohnerinnen und Bewohner anstrebt.
Im Namen des Regierungsrates bedanke ich mich bei der GGG Ausländerberatung, beim Vorstand und bei Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Ihr unermüdliches und wertvolles Engagement in den letzten 50 Jahren und wünsche uns allen weitere erfolgreiche Jahre mit einer anregenden Zusammenarbeit.
Dr. Géza Teleki, Präsident der Kommission
Wir feiern heute das 50jährige Bestehen einer gemeinnützigen Institution, die Menschen aus der ganzen Welt helfen will, sich in Basel in unserem rechtlichen und gesellschaftlichen Umfeld zurecht zu finden. Zur Freude dieses Jubiläums gehört die erfolgreiche Entwicklung, die Zufriedenheit unserer Kunden und die Bekanntheit der GGG Ausländerberatung, die unser Haus an der Eulerstrasse 26 zu einer der besten Visitenkarten der GGG gemacht haben.
Wir feiern heute aber auch die Menschen und Körperschaften hinter diesem Erfolg, die mit ihrem ehrenamtlichen oder bezahlten Einsatz, mit ihren Spenden und ihrer mannigfaltigen Unterstützung unsere Ausländerberatung gegründet und gefördert haben. Ihnen allen gehört unsere Dankbarkeit.
Die Gründung der GGG Ausländerberatung, 1962, geht auf eine Anfrage an die GGG durch den Vorsteher des Kantonalen Arbeitsamtes (heute Amt für Wirtschaft und Arbeit AWA), Dr. Stricker, zurück. Die darauf von der GGG mit der Christoph Merian Stiftung und dem Basler Volkswirtschaftsbund aufgenommenen Gespräche führten zur Gründung einer „Kommission zur Betreuung ausländischer Arbeitskräfte“. Die zentrale Frage war damals schon – was niemand überraschen dürfte – die Finanzierung der zu gründenden Beratungsstelle.
Nun will es das Glück, dass wir heute unter uns einer der Pioniere der GGG Ausländerberatung haben. Es ist alt Regierungsrat Dr. Peter Facklam, der mit seinen 82 Jahren lebendige Geschichte verkörpert und den ich ganz herzlich begrüsse. Er war es, der als damaliger Sekretär des Basler Volkswirtschafts- bundes dank seinem Verhandlungsgeschick und seiner guten Vernetzung erreichte, dass sowohl die Basler Regierung – federführend war Regierungsrat Edmund „Mundi“ Wyss – als auch die private Arbeitgeberschaft der jungen Beratungsstelle dringend benötigte Beiträge gewährten.
Dr. Peter Facklam blieb bis 1975 Mitglied der Kommission. Es war aber nicht das Ende seiner „Karriere“ in der Ausländerberatung. Denn beinahe 20 Jahre später, nach seinem Rücktritt als Regierungsrat, erklärte er sich bereit, das Präsidium unserer Kommission von 1995 bis 2003 ehrenamtlich zu überneh-men. Kein anderer als er hat mehr Verdienste um unsere Ausländerberatung erworben.
Im Jahr 2011 wurde die Bedeutung für unsere ganze Gesellschaft der freiwilligen Arbeit ins Zentrum gerückt. Ohne freiwillige Arbeit wäre auch die Ausländerberatung nicht das geworden, was sie heute ist. Im Sinne einer Ehrung und stellvertretend für alle Freiwilligen, die unsere Institution mit Rat und Tat unterstützt haben, werde ich jetzt unsere 7 Präsidenten seit 1962 kurz aufzählen:
- Gründungspräsident war Hans Meyer-George, von dem ich leider keine Berufsangaben gefunden habe,
- sein Nachfolger von 1964 bis 1970 war Manfred Nadolny, Inhaber einer Beratungsfirma für Personalfragen,
- er wurde 1971 abgelöst durch Dr. Robert Feer, Ingenieur und Chemiker, Inhaber einer Textilfabrik in Brombach im Wiesental,
- ihm folgte 1977 auch ein Industrieller, Fritz Maier, Inhaber der Elastic AG,
- dann übernahm 1985 Dr. Hans Dressler, alt Appellationsgerichtspräsident, das Zepter,
- von 1991 bis 1994 war Dr. Christian Stoll, Chemiker in der Forschung bei Ciba-Geigy, Präsident.
- Dann kam, wie schon gesagt, Dr. Peter Facklam.
Der Nährboden unserer Arbeit ist die Migration. Wanderbewegungen von Menschen sind eine universelle Konstante. Was variiert sind die Gründe der Migration und die Regelung der Bedingungen der Zuwanderung und der Integration. In diesem Tätigkeitsfeld wird uns die Arbeit nicht so schnell ausgehen. Das Statistische Amt prognostiziert für Basel eine Zunahme der ausländischen Bevölkerung von 1000 bis 1500 Personen pro Jahr, dies bis 2035! Es erwarten also unsere Beratungsstelle, unsere Infostelle Integration und unseren Uebersetzungsdienst noch viele Herausforderungen.
Möge die GGG Ausländerberatung auch in Zukunft im Geiste von Isaak Iselin zum Ruf von Basel als einer offenen und gastlichen Stadt mit Auszeichnung beitragen.
Robert Weller, Geschäftsleiter
Als die „Beratungsstelle für ausländische Arbeitskräfte“ am 6. August 1962 ihre Arbeit aufnahm, verfolgte man verschiedene, teilweise ambivalente Ziele. Im Vordergrund stand natürlich das Engagement für in Not geratene Migranten. Ausserdem wollte man bei der Schweizer Bevölkerung Good-will für die Neuzugezogenen schaffen. Vermittelt wurde dann oft das Bild, dass „Ausländer zu Ruhe und Anpassung erzogen werden können, falls höflich aufgeklärt.“
Damit verbunden war der Wunsch nach grösstmöglicher Assimilation, was vermutlich dem damaligen Zeitgeist entsprach. Erzieherische Massnahmen drohten anfangs auch dem ratsuchenden Migranten bei der Ausländerberatung, wenn er sich nicht arbeitswillig und dankbar zeigte. Eine Beraterin kommentierte das Beispiel eines Studenten im Jahresbericht 1963 so: „Ich empfehle dem Jüngling, sein Glück in einem anderen Kanton zu versuchen. Er solle sich schämen, so zu jammern, er sei ja jung und gesund. …. Es breche ihm sicher kein Zacken aus der Krone, wenn er … auch Arbeiten verrichte, die ‚unter seiner Würde’ seien. … Oder soll denn sein Patron den Boden wischen?“
Ein weiterer Berater hielt Deutschkurse für überflüssig, weil den Migranten angeblich die Bildung und der nötige Wille fehle. Sein Ratschlag lautete: „Besser, praktischer, wirtschaftlicher … wären berufliche Fortbildungskurse, vor allem Schweissen und Lesen von technischen Zeichnungen. … Damit würden wir zwei Fliegen auf einen Schlag treffen: Erhöhung des Produktivitätskoeffizienten pro Arbeitskraft und Steigerung des Einkommens für den Arbeitnehmer, folglich grössere Arbeitsfreude (Berufsstolz), weniger Abgang und kleinere Rotationsziffer.“
Man mag über diese Aussagen schmunzeln und denken, das alles sei Geschichte. Aber wenn man heute die Medien verfolgt, tönt es ja manchmal nicht viel anders. Diese Beispiele machen auch deutlich, wie ambivalent das Beratungsverständnis am Anfang war. Man wollte helfen, las dann aber gehörig die Leviten, wenn sich jemand nicht an die Regeln hielt. Diese Ambivalenz zwischen Helfen und Belehren besteht auch heute noch. In unseren Zeiten umschreibt man das nur etwas schöner mit den Stichworten „Fördern und Fordern“.
Mitte der 60er Jahre wandelte sich dann das Selbstverständnis der Beratungsstelle enorm. Ab 1966 wurden dann doch Deutschkurse angeboten. Bereits im folgenden Jahresbericht war zu lesen: «Bei den Massnahmen zur Integrierung der ausländischen Arbeitnehmer … steht mit an vorderster Stelle die Überwindung der Sprachbarriere.» Dabei wurde betont, dass nicht die Grammatik, sondern was Anderes ganz wichtig sei: „das Einfühlungsvermögen des Lehrers in die Mentalität und Stimmung der Schüler“.
Man sprach also bereits 1967 nicht mehr von Assimilation sondern von Integration im Sinne eines – wie man damals sagte – „Mittelweg zwischen unseren und ihren Gewohnheiten“. Mich erstaunt, dass der Gedanke der Integration so alt ist wie ich selbst. Die berühmte Frage „Wer hat’s erfunden?“ können wir glaube ich mit Stolz beantworten: die GGG!
Die Pioniere von damals haben in einem schwierigen politischen Umfeld enorm viel zur Integration beigetragen. Herr Nadolny, Kommissionspräsident von 1964 bis 1970, schrieb uns vor wenigen Tagen einen Brief, aus dem ich zwei Sätze zitieren möchte:“Die ‚Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat‘ von Herrn Schwarzenbach hatte grossen Zulauf. Ich nahm einmal an einer Podiumsdiskussion als Gegner von Schwarzenbach teil und erhielt prompt am nächsten Tag eine Morddrohung und sehr viele unflätige Briefe“.
Diese Repressalien hielten die Verantwortlichen aber nicht davon ab, mutig ihren Weg weiter zu gehen. Sie haben damit die Voraussetzungen geschaffen, dass wir heute so erfolgreich arbeiten können. Dies verdient unsere Anerkennung und unseren Respekt. Ich bedanke mich rechtlich herzlich bei allen ehemaligen Mitarbeitenden und Kommissionsmitgliedern für ihre grossartigen Leistungen.
Die ersten 50 Jahre der GGG Ausländerberatung waren geprägt von Mut, Idealismus und Innovationskraft. Dies wünsche ich mir auch für die nächsten 50 Jahre. Die Chancen für ein Jahrhundert erfolgreiche Integration stehen gut. Denn motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen bereit, das Erbe der Pioniere fortzuführen und sich den zukünftigen Herausforderungen zu stellen. Ich danke meinem Team für sein Engagement und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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